Büchertausch? Och, gerade nicht, danke.

"Ich wünsche mir ein paar Leute/Likes für einen kleinen Büchertausch."
Nein, nicht ich, aber die Nachricht mit diesem Inhalt wird seit einigen Monaten (wieder) massenweise auf Facebook verbreitet und beginnt meist mit dem oben angeführten Satz mehr oder weniger variiert.
Dann geht es irgendwann so weiter: "Du musst nur ein einziges Buch versenden und wirst mehrere Bücher zurückbekommen." Und an dieser Stelle scheint der gesunde Menschenverstand schlichtweg seinen Dienst zu verweigern. Warum? Wahrscheinlich ist es die pure Gier, wenig zu geben und viel zu bekommen, ich weiß es nicht.
Spiele dieser Art gibt es schon seit Jahrzehnten, geblieben ist aber die Tatsache, dass sie schlichtweg nicht funktionieren, was man schnell herausbekommt, wenn man im Internet "Kettenbrief", "Schnellballsystem" oder "Pyramidenspiel" sucht. Wohl nicht schnell genug, denn ebenfalls geblieben ist ganz offensichtlich die Leichtgläubigkeit, dass es eben doch funktionieren könnte, daher scheint dieser Unsinn einfach nicht auszusterben.

Wie läuft das Ganze ab?
Man bekommt eine Adressenliste übersandt, soll ein Buch an die erste Adresse auf der Liste schicken, diese Adresse dann löschen, seine eigene Adresse an den Schluss der Liste setzen und den Aufruf weiterleiten. Zwei Runden später, so die Hoffnung, ist dann die eigene Adresse bei ganz vielen Menschen bis an die Spitze geklettert, und man erhält eine Masse an Büchern. Umsonst! Her damit!

Zwischenfrage
Bitte ganz kurz nachdenken: Wenn jeder Teilnehmer mehr Bücher erhält, als er verschickt, woher sollen die zusätzlichen Bücher denn dann bitte kommen? Wachsen die neuerdings auf Bäumen?

Ein Rechenbeispiel
Der Starter einer neuen Kette schickt den Aufruf an sechs Leute. Diese rekrutieren im besten Fall jeder wieder sechs Opfer. Auf dieser dritten Ebene befinden sich jetzt 36 Personen, insgesamt sind 43 involviert. Sollte eine vierte Ebene erreicht werden, sind 216 weitere Personen vonnöten, danach zusätzliche 1296.
Lassen wir unbeachtet, dass in einem Freundeskreis die bisher nicht teilnehmenden Personen immer rarer werden, und nehmen wir an, dass tatsächlich jeder sechs neue Leute einbinden kann, sind für jeden Neueinsteiger wieder zwei weitere Ebenen nötig, um das Versprechen der wundersamen Buchvermehrung einzulösen.
Es bedarf wohl keiner weiteren Zahlen, um zu belegen, dass dieses System einfach nicht funktionieren kann, weil irgendwann schlichtweg niemand mehr übrig ist, der noch nicht teilnimmt. Und für die letzten beiden Ebenen - die Mehrheit! - wird sich das Versprechen der Bücherflut nie einlösen.

Und weiter ...
Ist man abgebrüht und gierig genug, bleibt folgendes: Falls man überhaupt Bücher bekommt, weiß man natürlich nicht, welche, vermutlich aber zu einem Großteil Schrott. Und dafür soll ich riskieren, für die Enttäuschung eines großen Teils meines Freundeskreises verantwortlich zu sein? Danke.
Für den Euro, den der Bücherversand kostet, kann ich auf jedem Trödelmarkt oder bei sozialen Einrichtungen ein Buch kaufen - und zwar eins, dass ich auch haben will! Auf die Idee muss man erst einmal kommen! Wenn ich auf die Empfehlung eines anderen Wert lege, kann ich diese auch einfach mündlich einholen und mir das Buch schlichtweg kaufen. Dafür gibt es Läden. Und wenn ich gerade knapp bei Kasse und/oder geizig bin: Es soll sogar Menschen und Einrichtungen geben, die Bücher verleihen!
Wenn ich tatsächlich Bücher tauschen möchte, warum erstelle ich dann nicht einfach eine Liste mit Büchern, die ich abzugeben habe, schicke diese an alle Literaturaffinen, die ich kenne, und bitte um Nachahmung? Das Ergebnis wird ein Büchertausch sein, bei dem jeder das erhält, was er tatsächlich gerne haben möchte, und niemandes Erwartungen werden enttäuscht. Nachteil: Ich erhalte wahrscheinlich nicht ein Vielfaches an Büchern, meine Gier wird schlichtweg nicht befriedigt, aber irgendwas ist ja immer.


TL;DR
Schneeballsysteme haben zwangsläufig mehr Verlierer als Gewinner, daher: Danke, ohne mich.

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Dieses Zitat ist offenbar nicht von Kafka