NaNoWriMo und der erste Entwurf

NaNoWriMo steht für "National Novel Writing Month" und ist eine Initiative, die 1999 gegründet wurde, als sich ein paar Freunde zusammen setzten und fest stellten, dass einige von ihnen gerne "irgendwann mal" ein Buch schreiben würden. Damit es dabei nicht blieb, setzte man sich ein Limit von einem Monat, im November sollte jeder der Teilnehmer 50.000 Wörter schreiben. Aus diesem kleinen Projekt wurde ein großes, das jährlich über 100.000 Teilnehmer weltweit anzieht (beim Schreiben dieses Textes - 29.10.2013 - sind es aktuell 167.179 Schreibende, die sich für dieses Jahr angemeldet haben. (Mehr zu den Regeln gibt es bei wikipedia - nur soviel: es geht um das gemeinsame Setzen einer Deadline, die tatsächlich erreichte Anzahl von Wörtern wird nicht überprüft, niemand liest die geschriebenen Werke tatsächlich. EDIT: am 5.11.2013 sind es über 275.000 Teilnehmer.)

Zum eigentlich Hintergrund dieses Textes: Ist "NaNoWriMo" ein "legitimes" Mittel für "ernsthafte" Autoren? Die Diskussion, was ein ernsthafter Autor eigentlich ist, mal beiseite gelassen, bin ich der Meinung, dass jedes Hilfsmittel recht ist, wenn es dem Zweck dient. Wenn jemand eine Deadline braucht, um besser (oder überhaupt) schreiben zu können, ist es egal, woher diese Deadline kommt, ob man sie einhält, überzieht oder sonst etwas.
Ich kann verstehen, dass dieser "Wettbewerb" einen schlechten Ruf hat und Texte, die in einem Monat verfasst wurden, nicht als "vollwertig" angesehen werden. Dieser schlechte Ruf stammt aber wohl eher aus der (falschen) Annahme, dass die in diesem Monat verfassten Texte von den Autoren dann als Endversion angesehen werden könnten. Dass niemand, der das Schreiben ernsthaft betreibt, in 30 aufeinander folgenden Tagen ein veröffentlichungsfähiges Meisterwerk zustande bringt, dürfte wohl keiner Diskussion wert sein.
Worum es daher eigentlich geht, ist der erste Entwuf, mehr nicht. Und um diesen endlich aufs Papier zu bekommen, ist auch ein Hilfsmittel wie NaNoWriMo völlig akzeptabel. Der Nebeneffekt, dass man mit tausenden anderen Schreibenden unter demselben Druck steht und dass dieses Gemeinschaftsgefühl dem Akt des Schreibens eine andere Qualität gibt, mag für einige ein zusätzliches Bonbon sein, für mich ist das nicht so. Ich war bei mehreren "Schreibtreffen" im November anwesend, habe das aber schnell dran gegeben, als ich merkte, dass ich die dort verbrachte Zeit besser in meinen Text investiert hätte. Wer ein Gemeinschaftsgefühl beim Schreiben braucht (für mich ist das eher hinderlich), mag diesen Aspekt von NaNoWriMo gerne für sich beanspruchen, ich benutze die Aktion lediglich dafür, nicht länger eine Ausrede zu haben, meine aktuelle Idee weiter aufzuschieben. (Dass ich eine "reife" Idee auch in jedem anderen Monat umsetze und nicht bis zum nächsten November warte, steht außer Frage.)


Die Wichtigkeit, den ersten Entwurf überhaupt aufs Papier (oder in den Computer) zu bekommen, sei an einer kurzen Anekdote verdeutlicht (dessen Quelle ich aktuell nicht finde, es könnte aus "Zen in der Kunst des Schreibens" von Ray  Bradbury stammen": Bradbury schreibt (oder besser: schrieb) montags eine Geschichte (1. Entwurf), verbesserte sie am Dienstag, verbesserte sie am Mittwoch, verbesserte sie am Donnerstag, verbesserte sie am Freitag und schickte sie am Samstag an seinen Verleger. In der nächsten Woche ging das Spiel dann wieder von vorne los (es sei denn, er arbeitete gerade an einem Roman).
Zur Bedeutung des ersten Entwurfs gibt es folgendes Zitat:
"I do a first draft as passionately and as quickly as I can. I believe a story is valid only when it's immediate and passionate, when it dances out of your subconscious. If you interfere in any way, you destroy it."
- Ray Bradbury

Und um diesen direkten, leidenschaftlichen, nicht von Kritik und Korrektur unterbrochenen ersten Entwurf zu erschaffen, ist NaNoWriMo ein ebenso legitimes Mittel, wie alles andere. Wenn danach die nötigen Monate an Redigieren, Korrigieren, Verwerfen und Umschreiben folgen, ist alles gut.

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Dieses Zitat ist offenbar nicht von Kafka