Status Quo eines Romans: "Schiffbruch"

"Schiffbruch" ist ein Roman, den ich 2008 geschrieben und im Anschluss nur einmal oberflächlich korrigiert habe, danach ist das Buch bis zum letzten Jahr liegen geblieben. Das lag (und liegt immer noch) hauptsächlich am Thema, denn der Roman, der zunächst einen ganz anderen Titel hatte, bis mir dieser einfiel, der passender nicht sein könnte, ist hauptsächlich ein Science Fiction-Roman. Fast alle Agenturen und Verlage, die ich in den letzten Jahren recherchiert und zum großen Teil auch angeschrieben haben, geben explizit an, dass Science Fiction nicht vertreten oder verlegt wird (soweit ich mich erinnere, wird SF noch häufiger als Fantasy abgelehnt), was nicht gerade motiviert, wenn man in diesem Genre nicht absolut zu Hause ist. Der eigentliche Grund, warum ich den Roman so lange nicht angefasst habe, war allerdings der, dass ich in meinen anderen Büchern eher Wert auf die Figuren lege, in diesem forderte jedoch die Umgebung und die Umstände eine sehr genaue und detaillierte Erklärung, was mir sehr schwergefallen ist.

Im letzten Jahr (2020) habe ich das Buch noch einmal gelesen und redigiert und blieb etwas ernüchtert zurück. Die Idee halte ich nach wie vor für sehr gut, die Umsetzung finde ich aus heutiger Sicht allerdings relativ hoffnungslos. Da der Roman aus aufgefunden Fragmenten und Tagebüchern besteht, ist eine durchgehende Erzählstruktur kaum vorhanden, es fällt so extrem schwer, dem Verlauf der Handlung zu folgen, die neben der aktuellen Geschichte auch die Vorgeschichte sowie Rückblicke auf eine Zeit etliche Jahre zuvor enthält (zusätzlich dann noch ständige Mutmaßungen über die aktuelle Situation und verschiedene Erklärungsversuche, was eigentlich dahinter steckt). Der Umstand, dass die Situation und das gesamte (gesellschaftliche) Umfeld so erklärungsbedürftig ist, macht den Roman eher zu einer Art soziologischem Bericht mit Handlungsfragmenten, in dem - für meine heutigen Ansprüche an meine Arbeit - Innenansichten der Figuren, insbesondere der Hauptfigur, und Emotionen etwas zu kurz kommen.

Fazit: Dies war das erste Mal, dass ich beim Korrigieren meiner Arbeit das Gefühl hatte, dass ich beim Schreiben zwar Rohmaterial erschaffen habe, sich daraus aber nicht - wie bei den anderen Büchern bisher - ein funktionierender Stoff schaffen lässt, schon gar nicht "mal eben". Während ich bei meinen bisherigen Veröffentlichungen schätzungsweise 90% der ursprünglich geschriebenen Texte im Großen und Ganzen ohne weitreichende Umstrukturierungen verwenden konnte, müsste ich bei diesem Buch wahrscheinlich mindestens die Hälfte massiv überarbeiten und ändern, wenn nicht gar neu schreiben. Ob dabei die ursprüngliche Idee noch funktionieren kann, kann ich im Moment nicht beurteilen, deswegen wende ich mich aktuell lieber anderen Projekten zu.
Aber: So schwer es auch war, zu dieser Einsicht zu kommen, so hilfreich war diese andererseits auch, weil ich gemerkt habe, dass nicht nur meine Ansprüche gestiegen sind und ich heute nichts mehr veröffentlichen würde, was ich vor zwölf Jahren vielleicht noch eher "durchgewunken" hätte, sondern anscheinend auch meine Fähigkeiten, da meine letzten Arbeiten der gesteigerten Ansprüche offenbar genügen. Auch war es gut zu sehen, in welchem Genre ich beim Schreiben vielleicht eher nicht so gut aufgehoben bin. Die Mühe war nicht verschenkt ... man weiß nie, wofür es gut ist.

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Dieses Zitat ist offenbar nicht von Kafka