Disziplin

Der Autor Andreas Eschbach schreibt auf seiner Seite unter dem Titel "Mythen übers Schreiben" auch folgendes: "Man wird nur inspiriert, wenn man auch schreibt." (und nicht: "Man kann nur schreiben, wenn man inspiriert ist). Auch wenn am Anfang eines Romans eine Inspiration (= Idee) steht, braucht es vor allem einen ganzen Stapel Arbeit, um diese anfängliche Inspiration auch in einen Roman umzusetzen. Und um diesen Stapel abzuarbeiten, braucht man vor allem eins: Disziplin.

Beim rein zeitlichen Aufwand kommt es sehr auf die persönliche Schreibgeschwindigkeit an, die wiederum von der Tagesform abhängt und wie sehr es gerade "läuft", wie leicht einem das aktuelle Kapitel fällt. Ein Buch von 50-80 Tausend Wörtern abzutippen, ist wahrscheinlich schon nicht ohne, wenn man sich die Worte aber erst noch ausdenken muss, wird schnell ein Vielfaches daraus. Und da ist die Zeit, die man mit planen und "Vordenken" verbringt, noch nicht mit eingerechnet.
Um diesen Berg zu bewältigen, muss man sich schon am Riemen reißen und für mich heißt das: jeden Tag. Wenn ich nämlich erst einmal eine Woche gewartet habe, muss ich mich erst wieder in das reinarbeiten, was ich bisher geschrieben habe. Wenn ich mich jeden Tag ransetze (und sei es nur für eine Viertelstunde, um ein paar Sätze einzutippen), bleibe ich in der Geschichte. Genauso geht es mir beim Lesen: Wenn ich ein Buch erst einmal für ein paar Tage weggelegt habe, muss ich erst wieder ein wenig zurück blättern, um mir das aktuelle Geschehen noch einmal wieder wach zu rufen. Beim Schreiben ist das noch schlimmer: Wenn man zurück blickt, gerät man unweigerlich ans Korrigieren, und das ist beim ersten Entwurf tödlich. Korrigieren kann man, wenn man fertig ist, beim Schreiben muss man (ich) einfach "laufen lassen", sonst stolpere ich über jedes einzelne Wort, dann über den nächsten Satz, dann über den Absatz und ehe ein paar Sätze stehen, wird es schon wieder hell.
Gefragt ist also Disziplin in mehreren Ausprägungen:
  1. Durchzuhalten und das Werk abzuschließen, einen ersten Entwurf abzuliefern.
  2. Jeden Tag zu schreiben, damit man in der Geschichte bleibt.
  3. Beim Verfassen des ersten Entwurfs nicht zurück zu blicken sondern nur nach vorne, bis er fertig ist.
  4. Danach: Korrigieren und überarbeiten, nicht liegen lassen oder meinen, man sei fertig.
Der erste Entwurf ist das Material, das man braucht, um daraus später einen Roman formen zu können. D.h. wenn man diesen Entwurf hat, wartet man am besten erst einmal eine ganze Zeit (Monate), um Abstand zu bekommen und beginnt dann mit der Korrektur. Auch hier ist wieder ein tägliches Arbeiten von Vorteil. Ist man damit fertig, fängt man wieder von vorne an, bis man einen Status Quo erreicht hat, den man "herausgeben" kann, sprich: Lektoren einschalten oder was auch immer man vor hat.

Disziplin ist also gefragt, und das ist harte Arbeit, denn nicht nur der Akt des Schreibens an sich will bewältigt werden sondern auch die Regelmäßigkeit und die nötigen Korrekturen, nachdem der erste Entwurf fertig ist.
Sehr gut veranschaulicht wird das durch die Routine, die Ray Bradbury an den Tag legt, der in einem Interview einmal seine Gewohnheiten beschrieben hat: Er schreibt seit Jahrzehnten jede Woche eine Kurzgeschichte (wenn er nicht gerade an einem Roman arbeitet). Am Montag schreibt er den ersten Entwurf. Am Dienstag überarbeitet er ihn. Am Mittwoch noch einmal. Am Donnerstag noch einmal. Am Freitag schickt er die Geschichte an seinen Verleger. (Vielleicht folgte Freitag auch nochmal eine Überarbeitung und erst am Samstag geht's zu Post, da bin ich mir nicht mehr so sicher, aber das Prinzip dürfte klar sein.)

[Und was hat das Ganze mit dem Foto zu tun? Spekulationen willkommen.]

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Dieses Zitat ist offenbar nicht von Kafka